
Wer am 9. Dezember die VHS in Schwäbisch Hall betrat, hatte die Qual der Wahl: im 3. Stock philosophierte SPD-Ikone Franz Müntefering über das Altwerden, im 1. Stock stellte Peter Jost seine Glaubensstudie vor. Am Ende sorgten beide Veranstaltungen für ein volles Haus. An der Religionsumfrage hatten 252 Personen teilgenommen. Trotz der überschaubaren Anzahl an Befragten sei die Studie ziemlich aussagekräftig, meinte Peter Jost und zeigte wie Herkunft, Altersstruktur und Konfessionszugehörigkeit der Umfrageteilnehmer*innen mit amtlichen Zahlen übereinstimmen. Allein, was das Geschlecht betrifft, weiche die Studie mit einem Frauenüberhang von 11% signifikant von den Zahlen der Stadt ab. Frauen seien offensichtlich religiös interessierter als Männer, meinte der Theologe und belegte seine These mit den Haller Kirchenmitgliedschaftszahlen, wonach die evangelische Kirche einen Frauenüberschuss von 10% hat und die katholische von 8%.

Die zahlreichen Diagramme vermittelten folgendes Gesamtbild: je jünger die Haller, desto pluraler ihre Weltanschauung und desto geringer die Identifikation mit dem christlichen Glauben. Im konfessionellen Vergleich wurde deutlich, dass Evangelische weniger glaubensfest sind wie Katholiken und Freikirchen die christliche Lehre am konservativsten vertreten. Auch zeigte sich, dass Männer eher zum Atheismus neigen als Frauen. Bemerkenswert ist, dass die Identifikation mit dem christlichen Glauben bis 60 ansteigt, danach aber in den Altersgruppen bis 90 wieder stetig abnimmt. Peter Jost erklärt sich diesen Befund damit, dass der Glaube der ältesten Haller in den 1960er und 1970er Jahren geprägt wurde, einer Zeit, in der Religionssoziologen meinten, die Moderne führe zwangsläufig zum Verschwinden der Religion, und die Kirchen sich mittels politischer Theologie und historisch-kritischer Bibelauslegung selbst säkularisierten.

Der wichtigste Grund Kirchenmitglied zu sein, sei der Glaube und nicht etwa Tradition, Konvention oder die Aussicht christlich bestattet zu werden - ein mutmachendes Ergebnis für die Haller Kirchen. Außerdem ist bemerkenswert, dass die wenigsten sich wegen der Steuer von den Kirchen abwenden. Die Haller treten vor allem aufgrund mangelnder Glaubwürdigkeit der Kirchen aus. Der zweitwichtigste Grund die Kirchen zu verlassen, sei die geringe Attraktivität ihrer Veranstaltungen. Vor allem diese Kritik will das ökumenische Projekt Raumwunder ernstnehmen und ihr mit neuen spirituellen Formaten begegnen. In der Diskussion am Ende zeigte sich, dass die Studie polarisiert. Dabei war überraschend, dass die lauteste Kritik von einigen wenigen evangelischen Kirchenleuten ausging. Offenbar waren sie mit dem Abschneiden ihrer Konfession nicht zufrieden. Auf positive Resonanz stießen Peter Josts Thesen dagegen vorrangig bei jüngeren und kirchlich distanzierteren Menschen. Für das Haller Tagblatt schreibt der Theologe einen Beitrag über die Studie und deren Bedeutung für Raumwunder. Der Artikel wird im neuen Jahr veröffentlicht. Die Ergebnisse sind demnächst im Internet frei zugänglich.
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